Der erste Bund zwischen Arc und der Welt
Kapitel 3: Der erste Bund zwischen Arc und der Welt
Und der Arkon sah auf das Werk seiner Hände – die Völker, die Lieder, die Schatten und das Licht. Und er sprach nicht mit Worten, sondern mit Sein. Und Sein wurde Bund.
So beginnt das Dritte Kapitel des Buches der Anfänge. Es erzählt von der Zeit, als der Arkon das Lied nicht mehr allein trug, sondern es in andere legte. Dies war nicht die Erschaffung – sondern das Erwachen der Verantwortung.
I. Das Erwachen des Bundes
In der Mitte Arcadias, wo kein Stamm zuerst war und keiner zuletzt, erhob sich ein Ort, nicht aus Stein, sondern aus Einklang: Elytherion – die Lichtung des Gleichgewichts.
Hier sammelten sich Abgesandte der Elfen, der Dravonir, der Mitternachtskinder und jener Völker, die zwischen den Schatten lebten. Nicht durch Planung, sondern durch Fügung fanden sie sich dort ein, wie Instrumente, die sich selbst in Harmonie begegnen.
In der Mitte Elytherions stand ein Baum ohne Blätter, doch von Licht durchzogen – der Sil’enor, die Wurzelkrone. Man sagt, er sei aus dem letzten Ton des Ersten Liedes gewachsen.
An seinem Fuße erschien der Arkon. Nicht als Gestalt, sondern als Gefühl: Stille, die alles durchdrang. Licht, das nicht blendete. Wärme, die kein Feuer kannte.
Und er sprach: „Ich bin nicht außerhalb von euch. Ich bin, weil ihr seid. Und ihr seid, weil ich war. Doch von nun an seid ihr es, die sein werden.“
Dies war der erste Bund.
II. Die Worte des Bundes
Der Bund wurde nicht mit Blut besiegelt, nicht mit Schrift, sondern mit einem Lied. Jeder Stamm fügte eine Strophe hinzu:
- Die Elfen sangen von Bewahrung und Erinnerung.
- Die Dravonir sangen von Kraft und Prüfung.
- Die Mitternachtskinder sangen von Wandel und Erkenntnis.
- Die Halbauren webten die Stimmen zusammen, auf dass kein Ton verloren ginge.
Der Arkon antwortete nicht mit einer Melodie, sondern mit Stille. Und aus dieser Stille wuchs Verstehen. Der Bund war nicht Gesetz – er war Richtung.
Er enthielt keine Strafen, sondern Spiegel. Keine Pflichten, sondern Pfade. Jeder Stamm verstand ihn anders, doch alle fühlten sich verbunden.
So entstand das, was später Thal’varion genannt wurde – das Herzverständnis. Eine Erinnerung, die nicht gelehrt, sondern wiederentdeckt wurde.
III. Die Träger des Bundes
Mit dem Bund kamen die Erinnerer – je ein Wesen aus jedem Stamm, das das Lied im Herzen trug. Sie wurden nicht gewählt, sondern gerufen. Oft waren es die Schwächsten, die Ausgestoßenen, die Unsichtbaren.
- Die Elfen erinnerten sich an Serelai, ein Kind ohne Stimme, das den Wind verstand.
- Die Dravonir ehrten Va’drakor, einen Krüppel, der das Feuer in sich selbst trug.
- Die Nythera kannten Lun’shaar, eine Blinde, die in Träumen sah.
- Die Halbauren erinnerten Meori, die von keinem Stamm ganz war – und gerade deshalb alle verband.
Diese Vier reisten gemeinsam durch Arcadia und sangen das Lied des Bundes in die Winde, in die Steine, in die Herzen. Wo sie gingen, blühte Erinnerung. Wo sie weinten, heilten alte Wunden.
Doch nicht überall wurden sie empfangen. Manche Stämme sahen im Bund Schwäche. Andere fürchteten Verlust ihrer Eigenheit. So wuchs auch Widerstand.
IV. Der Bruch im Lied
Ein Stamm der Dravonir, die Raskharr, spaltete sich ab. Sie sahen den Bund als Verrat an der Flamme. Für sie war nur Stärke heilig. Sie jagten Va’drakor durch die Glutberge, verbrannten seine Schriften und schworen dem Arkon ab.
Auch unter den Elfen gab es Zweifel. Einige Kyraneth-Sippen betrachteten die Halbauren mit Argwohn. Warum sollte das Reine sich mit dem Unreinen vermischen? Serelai wurde aus ihrem Wald verbannt.
Die Nythera spalteten sich leise. Kein Krieg, kein Schrei – nur Rückzug. Die Kassari begannen, das Lied umzuschreiben. Sie fügten neue Töne ein, dunkle Töne, die nicht mehr vom Arkon handelten, sondern vom Selbst als Quelle.
So zerfiel das Lied in Varianten. Einige rein, andere wild, wieder andere voller Schmerz. Und doch – jedes Lied war ein Fragment des Ursprungs.
V. Die Hütersteine
In dieser Zeit der Zerbrechlichkeit wuchs ein neuer Gedanke: Wenn Worte verblassen, wenn Stimmen schweigen – was bleibt?
Die Erinnerer sammelten sich ein letztes Mal und errichteten die Hütersteine. Sie waren aus Erinnerung gemeißelt, nicht aus Stein. Ihre Form war wandelbar, ihre Präsenz spürbar nur jenen, die das Lied kannten.
Man sagt, sie stehen in allen Landen Arcadias:
- Am Rand des Aschenmeers.
- Im Herzen des Flüsterwaldes.
- In der Tiefe des Spiegelsees.
- Auf dem Plateau der drei Monde.
Sie sprechen nicht. Doch wenn man sie berührt, träumt man. Und in diesem Traum hört man den Bund – so, wie er war. So, wie er gemeint war. So, wie er sein könnte.
VI. Das Vermächtnis
Der Bund wurde vergessen. Und doch blieb er. Wie ein Same im Winterboden. Wie ein Lied, das ein Kind summt, ohne es je gehört zu haben.
In dunklen Zeiten wurde er wiederentdeckt – von Einzelnen, von Wanderern, von Sehern. Manchmal in Form eines Gedichts, eines Symbols, eines Blicks.
Der Arkon aber sprach nicht mehr. Nicht, weil er gegangen war. Sondern weil er gesät hatte.
„Ich bin nicht Stimme, ich bin Erinnerung.
Ich bin nicht Gebot, ich bin Ruf.
Wer mich hört, hört sich selbst – und die Welt zugleich.“
So endet der erste Bund – nicht in Pracht, nicht in Triumph, sondern im Echo. Und dieses Echo lebt. In dir. In mir. In Arcadia.