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I. Das Buch der Anfänge I/I

Schöpfung durch das Licht des Arkons

Kapitel 1: Schöpfung durch das Licht des Arkons

Im Urgrund allen Seins war das Schweigen.
Keine Stimme war, kein Klang, kein Schatten.
Nur das unbenannte Nichts, das wartete.
Und das Nichts flüsterte – nicht mit Worten,
sondern mit Sehnsucht.

So beginnt das älteste aller Lieder, gesungen von jenen, die nie Fleisch trugen noch Gestalt. Die ersten Schriften nennen es Auria, das goldene Vorwort der Welt. Und in dieser Zeit, ehe Zeit war, wachte etwas. Nicht Auge, nicht Wille, nicht Form – doch Bewusstsein.

Da sprach der Arkon: „Ich bin das Erste Licht.“
Und Licht war.

Nicht wie Feuer brannte es. Nicht wie Sonne wärmte es. Es war Erkenntnis, die zu sich selbst fand. Ein Spiegel, der sich erinnerte, gesehen zu haben. Dieses Licht war die erste Bewegung, der erste Klang. Aus ihm entstand ein Herzschlag, das Pulsieren des Werdens.

Die Alten nennen es Serathion, den Funken allen Ursprungs. Aus ihm spann der Arkon die Fäden des Seins: Traum, Wille, Klang, Gestalt. Vier große Gewebe, vier ewige Kräfte. Und mit jedem Faden wuchs ein Teil der Welt.


Vom Gewebe der Wirklichkeit

Zuerst war Ael’nair – der Traum. In ihm schlief alles Kommende, alles Vergangene. Er war weich wie Nebel, doch scharf wie Kristall. Ael’nair war die Matrix, in der alle Dinge gedacht, aber nicht gesprochen wurden.

Dann kam Varion – der Wille. Aus ihm formte sich Richtung. Bewegung. Entschlossenheit. Es war Varion, der den leeren Raum durchdrang und ihn dehnte. Sein Symbol ist der Pfeil, der sich selbst zielt.

Der dritte war Lior – der Klang. Aus ihm erwuchs das erste Lied, der erste Ton, der durch Ael’nair hallte und Varion lenkte. Aus Lior entspringt alles Wort, alles Rufen, alle Sprache. Die Magie der späteren Welt ist sein Echo.

Zuletzt kam Enareth – die Gestalt. Das Sichtbare. Das, was Dauer findet im Wandel. Die Form aller Dinge – von den tiefsten Steinen bis zu den ersten Gestalten aus Licht.

Diese Vier, gewoben durch das Licht des Arkons, bilden die erste Sphäre: Thaleon – den leuchtenden Ursprung.


Die Erschaffung Arcadias

Der Arkon blickte auf Thaleon, das Lichtreich der Vier. Und er sprach:

„Dies ist gut, doch nicht genug. Ich bin nicht allein, und doch bin ich allein.“

Und aus seinem innersten Licht hauchte er ein Abbild. Nicht Spiegel, sondern Möglichkeit. Nicht Abklatsch, sondern Kind. Und dieses Kind war Arcadia.

Arcadia war zuerst ein Lied. Ein Lied, das in sich selbst tanzte, eine Melodie aus Licht und Dunkel. Doch mit jedem Ton wurde es dichter, fester, weltlicher. Und als es zum letzten Ton kam, formte sich Land.

Land, das sich erinnerte, einst Klang gewesen zu sein.

Die ersten Berge reckten sich wie Akkorde empor. Die Flüsse flossen wie Melodien. Der Himmel war gespannt wie eine Harfe zwischen Sein und Nichtsein. Alles in Arcadia war Musik – die Welt selbst war eine Partitur, geschrieben in Licht.


Vom ersten Wandel

Doch wo Form ist, da wächst auch Grenze. Und wo Grenze ist, da wächst Trennung.

Ein Schatten fiel in das Lied. Kein Böses, sondern ein Gegengewicht. Der Arkon sah es kommen, wie jeder Ton seinen Gegenton ruft. Und so entstand aus dem Licht der Schattenbogen, das erste Gleichgewicht.

Aus diesem Schattenbogen wurden Wesen geboren – nicht aus Hass, sondern aus Spiegelung. Sie waren die Kyreth, die ersten Wächter der Tiefe. Sie lebten nicht in Arcadia, sondern unterhalb, im Niradhal, dem Meer der ungeformten Möglichkeiten.

Und der Arkon sprach nicht: „Dies ist schlecht.“ Sondern: „Dies ist wahr.“

Denn das Licht braucht Schatten, um zu leuchten. Und so wurde die Welt ganz.


Von den ersten Kindern des Lichts

Als Arcadia reifte, sprossen aus ihrem Boden erste Gestalten. Sie waren aus Licht und Form zugleich, aus Klang und Wille. Die Elfen erwuchsen aus den Wäldern von Lyssarien, den silbernen Träumen. Die Echsenkinder schlüpften aus dem heißen Atem des Südens. Und auch die Völker der Nacht, die Mitternachtskinder, fanden Form im Hauch der Zwischenreiche.

Sie alle trugen einen Funken Serathion in sich – das Erbe des Lichtes.

Doch sie wussten es nicht. Noch nicht. Sie waren wie Kinder, spielend im Garten eines Gottes, der sich selbst verborgen hielt.


Von der Stille des Arkons

Und der Arkon zog sich zurück. Nicht aus Müdigkeit. Nicht aus Schwäche. Sondern aus Liebe. Denn was wächst, muss sich selbst begegnen.

Er wurde das ferne Licht am Himmelszelt, das viele Monde später Auriel genannt wurde – das „Auge, das wacht“.

Und so begann Zeit. Und so begann Geschichte. Und so begann Arcadia.

Dies ist der erste Gesang.
Das Licht ward.
Und das Licht ging.
Doch es lebt fort in allen Dingen.
Wer dies liest, der höre nicht nur mit den Ohren.
Sondern mit dem Herzen. Denn der Arkon spricht noch immer –
in jedem Blatt, das fällt, in jedem Traum, der kommt.

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